Freitag, 4. September 2009

Kommentierte Stellungnahme von Drs. Ron Manheim zur Diskussion um die Eichen-Basaltstelen-Allee Moyland

Aus der Moyländer Schloss-Allee sollen die 48 Basaltstelen entfernt werden, die dort seit 1997, also seit der Eröffnung des Museums Schloss Moyland zu sehen sind. Die bisher in der Presse erwähnten Argumente der neuen künstlerischen Direktorin, Dr. Bettina Paust, sind aber weder stichhaltig noch frei von Widersprüchen:
1. Es sei das Bestreben der neuen Museumsdirektorin, die Schloss-Allee in ihrer alten Form wiederherzustellen. Dieses Argument stellt zunächst einen Affront dem Gartenarchitekten-Ehepaar Rose und Gustav Wörner gegenüber dar, das damals gerne bereit war, in Absprache mit dem Sammler Hans van der Grinten, die Steine in ihr Konzept der Wiederherstellung des gesamten Parks einfließen zu lassen. Es besser wissen zu wollen als diese Spezialisten, die auch für die historischen Parkanlagen in Kleve und für den Tiergarten-Bereich in Berlin verantwortlich zeichneten, ist schon sehr vermessen. Sollte man aber diesen denkmalpflegerischen Purismus praktizieren wollen, so müssten noch viele Kunstwerke (Chillida, Tàpies, Byars, Mack, usw.) aus dem Park verschwinden, der Kräutergarten durch Rasen ersetzt und eine ganze Reihe von eingreifenden Veränderungen an der Architektur des Schlosses vorgenommen werden. Im Übrigen sei auch angemerkt, dass eine Wiederherstellung der historisch gesicherten Form nur gelingen könnte, indem man sämtliche Eichen, die jetzt sehr unterschiedlichen Alters sind, durch eine radikale und umfassende Neupflanzung ersetzen würde.
2. Die Allee sei nicht öffentlich begehbar und somit nicht im Sinne von Beuys ein öffentliches Kunstwerk. Zunächst stimmt dies sachlich nicht, denn ein Teil der Basaltsteine befindet sich im öffentlich begehbaren Halbrondell am Beginn der Schloss-Allee. Wichtiger aber ist, dass die Setzung von Basaltsteinen zu jungen Eichen einen wichtigen Hinweis auf die Spannung zwischen Lebenszyklus und Ewigkeit enthält: Muss der Baum nach vielen Jahren wieder durch ein junges Exemplar ersetzt werden, so bleibt der Stein. (Anm.1)
Hinzu kommt vor allem, dass die Allee durchaus öffentlich ist, denn jeder kann sie in ihrer ganzen Länge, von ihrem Anfang oder auch von ihrem Ende her betrachten. Schließlich hat das Museum gerade deswegen, wegen der Einbeziehung der Allee als Sichtachse, die Kosten für ihre Pflege übernommen! (Anm.2)
3. Die Eichen-Basaltsteine-Allee soll den Ideen von Beuys nicht entsprechen, da Beuys nur die „Verwaldung“ der Städte vor Augen gehabt haben soll. Würde dies zutreffen, so müsste man Beuys postum doch sehr kritisieren, denn das 1982 von ihm zusammen mit der Free International University für die documenta 7 entwickelte Projekt „7000 Eichen“ entstand ausgerechnet für eine Stadt, der es nicht unbedingt an Natur fehlte. Die Durchführung hätte dann doch eher irgendwo im Ruhrgebiet stattgefunden haben sollen. In Kassel stehen die Eichen, je mit ihrer Basaltstele, sogar in der Fulda Aue, direkt am Rande der Karlsaue, entlang der Naturreichen Friedhöfe, im Grünbereich Bossental, usw.
Die von Beuys selbst angeregte Fortsetzung des Projektes weit über Kassel hinaus hat mit der Eichen-Basaltstelen-Allee in Moyland nicht nur eine durchaus vertretbare, sondern auch eine wirksame Realisierung gefunden: Alljährlich kommen mehr als 100.000 Besucher an diesem gut, ja vollständig sichtbaren und teils im frei zugänglichen Park gelegenen Kunstwerk vorbei. Mit den im Schlossgebäude gezeigten Werken von Joseph Beuys bildet diese Allee ein hervorragendes Instrument, die interessierten Museumsbesucher mit Werk und Ideen dieses Künstlers vertraut zu machen.
Die neue Direktorin lässt mit diesen nicht stichhaltigen Argumenten den Verdacht aufkommen, die Witwe des großen Künstlers, Eva Beuys, für sich einnehmen zu wollen, die schon zu Anfang einen völlig fehlgeschlagenen Versuch unternommen hat, unter dem Vorwurf des Plagiats die Steine entfernen zu lassen. (Anm.3) Beuys’ Aufforderung, die Pflanzaktion über die ganze Erde zu verbreiten, macht den Plagiatvorwurf inhaltlos.

Drs. Ron Manheim
ehem. Stellvertretender Künstlerischer Direktor

22. August 2009 00:18 Mit Dank an einfallsreich.tv

Anmerkungen von Thilo Götze Regenbogen
(1) Das ist doch eine merkwürdige Darstellung. Als aktiver Unterstützer der Kasseler Pflanzungen 1982 und Gründer des Baumbüro Main-Taunus (1982-87) habe ich die Grundspannung zwischen Baum und Stein so in Erinnerung, daß der Baum auf jeden Fall durch sein Wachstum den Stein überlebt, der mit der Zeit zerfallen wird. Nun zerfällt Basalt nicht so leicht; es mag sich also auch damals schon mehr um grüne Symbolik als um Naturwissenschaft gehandelt haben. In einer Parklandschaft mögen zudem der pflegerische und der gestalterische Gesichtspunkt weitere Eingriffe notwendig machen.
(2) Eine weitere Merkwürdigkeit, die sich nicht mit dem aktiven anthropologischen Verständnis von Beuys vertragen will, die Wahrnehmung der Allee auf das Betrachten durch die Stäbe eines geschlossenen Tores zu beschränken. Nein, da steht auch eine Öffnung an, die diese wichtige Arbeit von U We Claus entsprechend würdigt, indem sie sie tatsächlich auch für die körperliche Wahrnehmung frei zugänglich macht!
(3) Auch müßte sich Eva Beuys schon mal entscheiden: Entweder sie hält den Plagiatsvorwurf aufrecht, dann muß sie zugestehen, daß U We Claus die Arbeit von Beuys fortgesetzt hat; oder sie hält die Allee für häßlich und mißlungen, dann muß sie zugestehen, daß diesem persönlichen Geschmacksurteil ein originärer gestalterischer Akzent von U We Claus - die partielle Schrägstellung von Steinen - zugrunde liegt und dann muß sie den Plagiatsvorwurf fallen lassen. Beides zu vermischen ist keine kohärente Argumentation und die darf man von einer weltweit renommierten Beuys-Expertin doch immerhin erwarten.
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